OLG Brandenburg: Verlängerte Bauzeit – Nachtrag zum Planungsvertrag berechtigt

Die Frage ob es möglich ist, bei verlängerter Bauzeit für den damit zusammenhängenden Mehraufwand auch eine Honoraranpassung zu erwirken, ist häufiges Thema. Die HOAI 2013 und 2021 (Orientierungswerte) schweigen dazu. Die Entscheidung des OLG Brandenburg vom 16.06.2021 (11 U 16/18) zu einem Fall, bei dem die vertragliche Ausgangssituation eine unübersichtliche Gemengelage darstellte, lässt die Fachwelt aufhorchen, weil damit eine Entwicklung in Richtung mehr Honorargerechtigkeit in Gang gesetzt wird.

Das OLG hat im vorliegenden Fall der Klage eines Planungsbüros, welches Leistungen der Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination (kurz: SiGeKo) erbracht hatte und im Zuge der Verlängerung der Leistungserbringung (wegen Bauverzögerungen) zusätzliches Honorar gefordert hatte, stattgegeben.

Das interessante an diesem Fall ist, dass die Parteien im Vertrag keine Vereinbarung über eine Vergütungsanpassung bei Bauzeitverlängerungen getroffen hatten und dass die Leistungen bis zum ursprünglich vorgesehenen Termin mit sog. Teilpauschalen vereinbart waren.

OLG hält Planernachtrag für berechtigt und gibt dem Planer recht

Die Richter des OLG Brandenburg haben im Rahmen der Auslegung des Vertrags entschieden, dass die zusätzliche Vergütung sich schon daraus ergibt, dass das ursprünglich vereinbarte Honorar sich nur auf die ursprünglichen Termine bezieht. Daher ist es nach der Entscheidung des OLG naheliegend, dass das zusätzliche Honorar berechtigt ist. Dieser Fall zeigt auf, dass es möglich ist, eine zusätzliche angemessene Vergütung bei unverschuldeter Bauzeitverzögerung, durchzusetzen.

Spannender Fall – Honoraranpassung ohne vertragliche Regelung

Im vorliegenden Fall forderte das Planungsbüro zusätzliche Vergütung für die SiGeKo – Leistungen bei der Bauüberwachung eines Flughafenprojektes. Die Leistungen wurden bis zum ursprünglichen Termin auf Basis von Monatspauschalen erbracht. Die Parteien konnten sich im Zusammenhang mit den eingetretenen Bauverzögerungen nicht über eine Vergütungsanpassung verständigen. Damit ist erkennbar, dass künftige Honorarnachträge wegen unverschuldeter Verzögerung einfacher und mit weniger formalen Hürden durchgesetzt werden können.

Die kalkulatorischen Einzelheiten des Vertrags des Büros mit dem Auftraggeber zeigten, dass das Planungsbüro in der Kalkulation des angebotenen Honorars Monatspauschalen aufgestellt hatte, die zum Projektende als abgesenkte Monatspauschalen gestaltet waren.

Auslegung des Vertrags zeigt, dass Zusatzhonorar fällig ist

Das OLG hatte auf Basis des abgeschlossenen Vertrags eine Auslegung über das was mit dem Vertrag gemeint war, vorgenommen. Auf dieser Basis wurde das Urteil gefällt.

Wichtige Eckpfeiler für Honoraranpassung bei Bauverzögerung

Die Richter des OLG haben folgende Grundsätze für die Durchsetzung von Honorarnachträgen bei Terminverzögerungen gebildet, die wir nachstehend anhand der Urteilsbegründung aufzeigen:

  1. Für den Auftraggeber war bereits bei Vertragsabschluss ersichtlich, dass das Planungsbüro das Angebot für die SiGeKo – Leistungen unter der Prämisse einer Betriebsaufnahme des Flughafens im Frühjahr 2013 erstellt hatte, also das gesamte Honorar kalkulatorisch nur auf den vorgegebenen Zeitraum ausgerichtet war.
  1. Verzögerungen über den o.g. Termin hinausgehend, würden also die Angebotssumme obsolet werden lassen.
  1. Die angebotenen Monatspauschalen sahen in den letzten Monaten vor Inbetriebnahme einen Rückgang der Leistungsaufwände und damit eine geringere Monatspauschale vor. Auch daraus ist erkennbar, dass sich das Angebot ausdrücklich auf den ursprünglich vorgegebenen Zeitraum begrenzt.
  1. Soweit eine Vertragslücke (im Angebot bzw. im Vertrag der auf dem Angebot basiert) vorliegt, die sich hier als fehlende Honorarregelung für spätere Verzögerungszeiträume zeigt und nicht einkalkuliert und damit nicht geregelt ist, ist eine ergänzende Auslegung der getroffenen Vereinbarungen durch das OLG vorzunehmen.  
  1. Bei der vorgenannten ergänzenden Auslegung des Vertragsinhalts durch das OLG ist darauf abzustellen, was die Parteien nach angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte unter Anknüpfung an die im Vertrag enthaltenen Regelungen und Wertungen als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall (einer Verzögerung) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bedacht hätten.
  1. Das im Streit stehende Nachtragsangebot des Planungsbüros für den Zeitraum der Bauzeitverlängerung sei damit im Rahmen der ergänzenden Auslegung der Vereinbarungen grundsätzlich berechtigt.
  1. Die o.g. ergänzende Vertragsauslegung führt zu einem Bestimmungsrecht des Planungsbüros, also zur berechtigten Vorlage eines Nachtragsangebotes über die noch nicht angebotenen weiteren Leistungen, die infolge der Verzögerten Fertigstellung anfallen.
  1. Maßgeblich für die hier vom Planungsbüro geforderte Vergütungshöhe war im vorliegenden Einzelfall, der sich durch das Flughafenprojekt einerseits und die nicht preislich geregelten SiGeKo – Leistungen kennzeichnet, die kalkulatorische Grundlage aus dem ursprünglichen Angebot.
  2. Der hypothetische Parteiwille als Ergebnis einer ergänzenden Auslegung ergibt sich im vorliegenden Fall schon aus dem Umstand, dass bei den beginnenden Verzögerungen bereits eine monatliche Pauschale für einen ersten Anteil der Verzögerungen praktiziert wurde.

Die oben beschriebene ergänzende Vertragsauslegung können die Parteien in Form einer einvernehmlichen Verständigung selbst durchführen oder wenn eine Einigung nicht möglich ist, dem Gericht überlassen.

OLG-Maßgaben gelten auch bei Monatspauschalen

Erfreulich ist auch die Feststellung der Richter, dass diese o. g. Grundsätze auch bei sog. Monatspauschalen (so wie im vorliegenden Fall) gelten. Das Gericht hat damit die kalkulatorische Herleitung aus den vertraglichen Regelungen anerkannt und auf eine aufwendige Aufstellung eines anderen Nachweises verzichtet.

Das bedeutet im Ergebnis, dass zusätzliche Honorarforderungen bei unverschuldeten Bauverzögerungen nicht mehr so stark an formale Voraussetzungen gebunden sind und auch bei sog. Monatspauschalen durchgesetzt werden können. Es kommt also nicht mehr auf alle Einzelheiten an, sondern im Wesentlichen auf eine verhältnisgerechte Beurteilung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben.

Das Gericht begründet seine kalkulatorische Vertragsauslegung u.a. so: Gegen die Auffassung des Auftraggebers (zumindest anteilige Verweigerung der zusätzlichen Vergütung) spricht nach der konkreten Urteilsbegründung der Richter, dass die Höhe des an das Planungsbüros zu zahlenden Honorars – zwar pauschaliert war, aber doch zumindest grob – auf den von ihr geschätzten Personalaufwand unter Berücksichtigung des Baufortschritts und des urspr. Fertigstellungstermines basierte. Maßgeblich für das verzögerungsbedingte Zusatzhonorar war danach nicht eine allgemein übliche Vergütung, für die es angesichts der Einzigartigkeit des zu koordinierenden Projektes ohnehin kaum eine Vergleichsmöglichkeit gab, sondern eine individuell ausgestaltete Vergütung für eine spezialisierte Tätigkeit, die erhebliche Vorkenntnisse erforderte.

HOAI ist von der aktuellen Rechtsprechung unberührt

Zunächst gilt, dass die HOAI kein generell verbindliches Preisrecht mehr darstellt. Sie ist noch anwendbar, wenn die Parteien keine Vergütungsvereinbarung getroffen haben (siehe Regelung z.B. §7 Abs. 1 HOAI 2021) oder wenn die Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsautonomie vereinbaren, dass das Honorar nach den Regelungen der HOAI abgerechnet wird. Die HOAI (Fassung 2013 und 2021) trifft jedoch keine Regelung für den Fall einer Bauverzögerung. Damit ist bei Abwicklungsverzögerungen zunächst die konkrete Anspruchsgrundlage zu klären.

Das sollte mindestens in die Verträge hinein

Das aktuelle Urteil zeigt, dass es terminbezogener Grundlagen bedarf, um eine kalkulatorische Basis zur Ermittlung der verzögerungsbedingten Zusatzhonorare zu schaffen. Von Vorteil waren in diesem Fall die Monatspauschalen, die eine leichter herzuleitende Hochrechnung des Honorars erlaubten. Außerdem so die Richter des OLG, soll im Zuge der Ermittlung der zusätzlichen Vergütung (Stichwort: Vertragslücke) zugrunde gelegt werden, was die Parteien, nach angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung an die im Vertrag enthaltenen Regelungen und Wertungen als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall, der Terminverzögerungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geregelt hätten. Die wichtigsten Punkte für Verträge sind somit:

  • Kalkulation mit Honorarregelung, die auf konkreten fachlichen Inhalten / Leistungen Bezug nimmt, damit im Zweifel eine verhältnisgerechte ergänzende Auslegung möglich ist.
  • Terminvereinbarungen (im Vertrag oder in einem Angebot, welches so beauftragt wird), auf die sich die kalkulierten Honorare konkret beziehen,
  • Klarstellung, wonach das angebotene bzw. vereinbarte Honorar sich nur auf die angegebene Termine bezieht,
  • Kalkulatorische Basis zur Herleitung des verzögerungsbedingten Zusatzhonorars.