Baukostenüberschreitung – fairer Schutz vor unangemessenen Ansprüchen

Das Thema Baukostenüberschreitung ist derzeit das Top-Thema. Auftraggeber sehen hier eine formale Möglichkeit, Kostenobergrenzen im Vertrag zu markieren. Die Praxis des Planungsgeschäfts sieht aber bei Planungsänderungen, verzögerter Mitwirkung des Auftraggebers, Ausführungsmängeln usw. sehr vielfältige Ursachen, die nicht so einfach beim Planer als Schadensersatz plaziert werden können.

Das Oberlandesgericht Hamm hat sich zur wichtigen Frage des Haftungsumfangs bei Baukostenüberschreitungen ganz aktuell geäußert. Mit Urteil vom 15.03.2013 (Az.: 12 U 152/12) hat das OLG klargestellt, dass Baukostenüberschreitungen allein noch lange keinen Grund darstellt, den Schadensersatz schlicht anhand der Kostenüberschreitung zu dimensionieren.

Richter stellen faire Regeln bei Baukostenüberschreitungen auf
Die Richter haben mit diesem Urteil einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Parteien hergestellt, mit dem Ergebnis, dass keiner der Beteiligten durch die Baukostenerhöhung einen einseitigen Vorteil erlangen darf. Planungsbüros können jetzt aufatmen. So haben die Richter klargestellt, dass

1. Der Bauherr muss die Schadensursächlichkeit einer von ihm behaupteten Vertragsverletzung mit daraus resultierenden Kostenerhöhungen des Planungsbüros nachweisen.
2. Die als Schaden behaupteten Mehrkosten sind um erlangte Wertvorteile zu bereinigen. Dazu gehört auch der (in Verbindung mit den Kostenerhöhungen) gesteigerte Wert des Objekts.
3. Der Bauherr kann sich nicht mit der Behauptung, er hätte bei rechtzeitiger Kenntnis der Mehrkosten sicher die günstigere Variante gewählt, durchdringen. Denn es ist nicht hinreichend sicher beweisbar inwieweit der Bauherr tatsächlich die dann günstigere Variante gewählt hätte.
4. Beratungsleistungen, die über die reine Baubetreuung (gemeint sind hier offenbar die Planungs- und Bauüberwachungsleistungen) hinausgehen, sind nicht geschuldet.

Mit diesen Grundsätzen ist klargestellt, dass die Inanspruchnahme der Planungsbüros bei Baukostenerhöhungen nur in Verbindung mit einer Erfüllung der Beweislast und darüber hinaus mit einer ununterbrochenen Kausalkette (=unmittelbare Folgewirkung ohne Zwischenschritt) möglich erscheint. Damit werden die Bauherrn ebenfalls in die Pflicht genommen.

Als Schadenersatzansprüche fallen durch wertsteigernde Zusatzwünsche entstandene Zusatzkosten danach bereits aus.

Wichtig: Bauherr sollte Gelegenheit zur Entscheidung erhalten
Planungsbüros sollten bei sich abzeichnenden Mehrkosten immer auf Nummer Sicher gehen und die Beratungsaufgaben uneingeschränkt erfüllen. Mit dieser sicheren Variante geben sie dem Bauherrn Gelegenheit durch eigenes Handeln zu entscheiden, ob er sich gegen die drohenden Baukostenzuwächse wendet. Im Rahmen der Beratungspflichten sollte immer bei sich abzeichnenden Mehrkosten dem Auftraggeber im Rahmen eines angemessenen Zeitfensters Gelegenheit gegeben werden, sich im Falle eines Falles für eine günstigere Variante zu entscheiden.

Dabei ist es zunächst nicht relevant, ob es sich um quantitative Maßnahmen (z.B. Reduzierung von ursprünglich geplanten Nutzflächen) oder im zulässigen Rahmen (also ohne Unterschreitung der technischen Mindestanforderungen) um qualitative Maßnahmen handelt. Dieses Prinzip sieht u. a. auch die DIN 276 (2008) vor, indem sie diese beiden Alternativen als mögliche Grundsätze der Kostensteuerung beschreibt.

Entscheidungsmöglichkeit des AG schützt vor Inanspruchnahme
Mit dieser Gelegenheit wird ein sehr wichtiger Grundstein zur Abwehr von etwaigen Schadensersatzansprüchen gelegt. Deshalb sollte diese Möglichkeit grundsätzlich immer an erster Stelle stehen und schriftlich erfolgen.

Das zeitliche Entscheidungszeitfenster, auf etwaige Kosten zu reagieren, muss lediglich objektiv angemessen sein. Falls der Auftraggeber aufgrund seiner eigenen Organisation (viele Instanzen unklare interne Zuständigkeiten) einen unangemessen langen Zeitraum beanspruchen sollte, liegt es an Ihnen, den AG darauf hinzuweisen, dass er damit die vorgesehenen Termine selbst verzögert. Diese Art von Beratung ist zwar nicht immer freundlich, aber dennoch im Sinne des Projektes sehr bedeutsam. Der Auftraggeber muss dann selbst entscheiden, welche Schwerpunkte er selbst setzt, zeitnah zu entscheiden oder Verzögerungen (und die dann diesbezüglich ebenfalls anfallenden weiteren Kostenrisiken) in Kauf zu nehmen. Eine Möglichkeit besteht in der Verwendung der bereits verfügbaren Entscheidungsvorlage gemäß Muster IWW.de/……

Bereits mit der Möglichkeit, dass der Bauherr im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht eine Entscheidung treffen kann, haben Sie als Planer ihm die vorausschauende Gelegenheit (incl. Zeitfenster zur Entscheidung) gegeben, die Bedingung gemäß dem 3. Grundsatz oben zu erfüllen.

Wertsteigerung des Bauwerks nur als letztes Mittel in Erwägung ziehen
Die Berechnung der Wertsteigerung als Gegenrechnung bei Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, sollte nur als letzte Möglichkeit in Erwägung gezogen werden. Denn die Abwehr des Schadensersatzanspruchs durch Gegenrechnung einer etwaigen Wertsteigerung kommt erst dann in Betracht, wenn alle anderen Möglichkeiten der Anspruchsabwehr nicht greifen sollten. Ist die Kausalkette aber unterbrochen (z.B. durch Nichtannahme von Einspargelegenheiten) besteht bereits kein Anspruch mehr. Denn in diesem Fall ist bewiesen, dass es der Bauherr selbst in der Hand hatte, die Mehrkosten abzuwenden.

Tipp: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ob eine Revision zugelassen wird und wenn ja mit welchem Ergebnis, darüber berichten wir. Die Rechtsgrundsätze werden jedoch nicht in Frage gestellt.